
Frühlingsanfang und Zeitumstellung, drei Monate zählt das Jahr 2025 inzwischen schon. Und auch im März waren die Kolleginnen und Kollegen archäologisch alles andere als untätig. Es gibt also einiges, das wir uns anschauen können.
Blogschau
Comics und Archäologie – mit einer Zufallsentdeckung aauf Reisen konnte ich Anfang des Monats gleich zwei meiner Lieblingsthemen auf einmal abhaken und nebenbei eine lange Zugfahrt erheblich verkürzen. Ulli Lusts archäo-ethnologische Graphic Novel “Die Frau als Mensch” jedenfalls bietet einen tollen Einblick in und viel Stoff zum Nachdenken über Altsteinzeit-Kunst und Rollenbilder in Vergangenheit wie Gegenwart. Meine ausführliche Rezension zum Band findet sich hier im Blog.

Dass Kupfererz schon vor der Bronzezeit gelegentlich zu Schmuck verarbeitet und auch für Waffen und Werkzeuge verwendet wurde, war bekannt. Dass aber, wie neuere Funde und Untersuchungen aus Südostanatolien zeigen, womöglich schon im Präkeramischen Neolithikum vor gut 9.000 Jahren Kupferverarbeitung bei konstant hohen Temperaturen von über 1.000 °C (was technisch durchaus eine Herausforderung ist) nachgewiesen werden kann, war dann doch eine ziemlich große Nachricht. Und Anlass für mich, hier im Blog noch einmal einen Blick auf die Anfänge früher Pyrometallurgie zu werfen.
Und dann gab es in diesem Monat kaum ein Vorbeikommen an den viralen, aber auch reichlich obskuren Neuigkeiten, dass angeblich Radarmessungen ausgedehnte Untergrundstrukturen unter den Pyramiden von Gizeh nachgewiesen hätten. Klingt nach einem guten Plot für eine Abenteuergeschichte – und ist ehrlich gesagt auch nicht viel gehaltvoller. Warum der Befund nicht halten kann, was der Hype verspricht, hatte ich ebenfalls hier im Blog notiert.

Nachrichtenticker
Jurassic Park, nur mit Mammuts! Im Grunde diskutieren wir über deren Wiederbelebung ja schon seit “Klonschaf” Dolly; ach was, eigentlich gehen entsprechende Ambitionen ja sogar noch weiter zurück. Auch wenn die Argumente, warum wir ausgerechnet eine seit gut 10.000 Jahren gehörig dezimierte und seit 4.000 Jahren endgültig ausgestorbene Art (auch wenn wir selbst wohl an deren Verschwinden nicht ganz unbeteiligt waren) zurückholen sollten, deren ursprünglicher Lebensraum sich seither gehörig verkleinert und verändert hat, bisher nur wenig überzeugen konnten. Mit der Meldung, dass Forschende aus den USA nun zottelige “Wollmäuse” gezüchtet hätten, hat auch das Mammut-Thema offenbar wieder an Nachrichtenwert gewonnen. Im Guardian jedenfalls bezog nun Adam Rutherford deutlich Stellung dazu, warum das weder ethisch noch biologisch eine besonders gute Idee ist.
Nachdem zuletzt Spanien den Umgang mit menschlichen Überresten in seinen Museen in einer Reihe von “Commitments” neu geregelt und in der Folge eine Guanchen-Mumie aus der Ausstellung des Archäologischen Nationalmuseum in Madrid entfernt hat, legten britische Parlamentarier nun nach und fordern, dass auch in Museen im Vereinigten Königreich künftig keine menschlichen Überreste ohne ausdrückliche Zustimmung deren Herkunftsgemeinschaften bzw. Nachfahren ausgestellt werden und diese ggf. an ihre Ursprungsländer zurückgegeben werden sollten.
Wer beim morgendlichen Blick in den Spiegel immer öfter feststellt, dass doch schon wieder ein paar Jahre ins Land gegangen sind, kann sich angesichts der jüngsten Meldung (aus dem SPIEGEL, get it? 😉 ) einreden, dass da noch reichlich Luft nach oben ist: Die bereits 2022 in der spanischen Sima del Elefante-Höhle nahe der Stadt Burgos entdeckten fossilen Wangen- und Kieferknochen (offizielle Bezeichnung ATE7-1, die Forscherinnen und Forscher haben sie in guter paläoanthropologischer Tradition intern “Pink” getauft) konnten inzwischen mit einem Alter von 1,1 bis 1,4 Millionen Jahren nicht nur als das älteste Gesicht Europas, sondern offenbar auch als eine bislang unbekannte Frühmenschenart identifiziert werden. Im Gegensatz zum eher schmalen Gesicht des Homo antecessor, der vor etwa 850.000 Jahren in Westeuropa lebte, zeigt dieses Fossil ein massiveres, stärker hervortretendes Mittelgesicht, das an Homo erectus erinnert, der vor gut 1,4 Millionen Jahren Europa erreichte. Vorläufiges Etikett der “neuen” Art daher erst einmal: Homo affinis erectus.

Foto: M. D. Guillén, IPHES-CERCA / E. Santos, CENIEH
Die obligatorische Pompeji-Meldung dreht sich in diesem Monat um: Farben. Oder vielmehr: Pigmente. Denn die oft sensationell gut erhaltene Farbigkeit der ausgegrabenen Räume macht einen nicht unerheblichen Teil des immer wieder beeindruckenden Erhaltungszustandes der antiken römischen Stadt aus. Eine kürzlich erschienene Studie widmet sich der Analyse der natürlichen und künstlich hergestellten Pigmente und vor allem der Palette der verschiedenen Farbtöne, die die antiken Künstlerinnen und Künstler daraus angemischt haben. Dabei werden auch die reichen Fresken Pompejis untersucht, um die Verwendung dieser Farben und der Maltechniken jener Zeit nachzuvollziehen und besser zu verstehen.

Abbildung: C. Grifa et al., Pompeian pigments. A glimpse into ancient Roman colouring materials, Journal of Archaeological Science 177, 2025.
Mammuts zum zweiten: Im niederösterreichischen Langmannersdorf, nordöstlich von St. Pölten, wurden bei Ausgrabungen die Überreste von mindestens fünf dieser haarigen Urzeit-Elefanten gefunden. Die Skelette, die altsteinzeitliche Jäger und Jägerinnen hier vor rund 25.000 Jahren zurückgelassen hatten, sind allerdings unvollständig. Die Knochenhaufen waren offenbar sortiert worden: Mal fehlten Rippen und Wirbel, mal die Stoßzähne. Letztere wurden möglicherweise zu Speerspitzen verarbeitet, wie wir sie von anderen Fundplätzen kennen; die Steinwerkzeuge, mit denen die Stoßzähne abgetrennt wurden, jedenfalls fanden sich ebenfalls vor Ort.

Foto: M. Händel, ÖAW-ÖAI
Und noch ein Pharaonengrab: Nachdem im vergangenen Monat die Ausgrabung des Grabes von Thutmosis II. im Tal der Könige für einiges Aufsehen gesorgt hatte, gibt es schon wieder spannende Neuigkeiten aus Ägypten. Aus Abydos meldet ein ägyptisch-amerikanisches Forschungsteam die Entdeckung eines weiteren, rund 3.600 Jahre alten Königsgrabes. Grabräuber hatten die Kammern bereits in der Antike geplündert – und dabei ausgerechnet jene Hieroglypheninschriften beschädigt, die uns den Namen des dort bestatteten Herrschers verraten hätten. Die Größe der Grabanlage deutet darauf hin, dass der bislang unbekannt gebliebene Pharao eine durchaus bedeutende Stellung innerhalb der sogenannten Abydos-Dynastie innehatte, über die bislang allerdings ebenfalls nur wenig bekannt ist.
Leseecke
Bereits im vergangenen Monat hatte ich an dieser Stelle auf die Online-Artikelserie “Museum of Stolen History” von The Continent hingewiesen, die, kuratiert von Shola Lawal und unter der künstlerischen Leitung von Wynona Mutisi, die koloniale Geschichte wichtiger afrikanischer Kulturgüter erzählt. Inzwischen sind dort auch die Episoden 6 bis 8 über den Cullinan-Diamanten, eine Kakuungu-Maske der Suku sowie den traditionellen Ekori-Kopfschmuck der Herero und Himba nachzulesen.

Die Entdeckung der Homo naledi-Fossilien ab 2013 in der Rising-Star-Höhle in Südafrika kann in unserem an (wenigstens wenn man den Schlagzeilen glauben schenkt) “sensationellen” Funden ja nicht eben armen Fach wirklich als Sensation gelten. Um so mehr, als jüngere Untersuchungen darauf hinzuweisen schienen, dass diese inzwischen auf einen Zeitraum vor 335.000 bis 236.000 Jahren datierte ausgestorbene Art der Gattung Homo, offenbar in Symbolen dachte und ihre Toten bestattete. Im Peer Review, der wissenschaftlichen Qualitätskontrolle durch Kolleginnen und Kollegen, riefen die entsprechenden Studien allerdings einige Kritik hervor, konnten in ihrer Argumentation im Detail nicht überzeugen und diese Behauptungen nicht zweifelsfrei belegen. Die Autorinnen und Autoren haben sich daraufhin noch einmal an den Schreibtisch zurückgezogen und nun eine überarbeitete Fassung ihres früheren Aufsatzes eingereicht, der dem Vernehmen nach auch bei den Reviewern deutlich mehr Eindruck gemacht hat. Der Text kann online hier nachgelesen werden.
Die Einführung der Radiocarbondatierung (14C-Datierung) in den 1950er Jahren, hat die Archäologie revolutioniert, insbesondere unseren Zugang zur chronologischen Einordnung von Funden, Befunden und ganzen Stätten. Organisches Material konnte damit, mit Einschränkungen und innerhalb eines gewissen Interpretationsspielraums, vergleichsweise genau datiert werden. Einziger Wermutstropfen: Die Proben wurden dabei in der Regel “verbraucht”; sie mussten für den technischen Prozess der Datierung zunächst zerkleinert, letztlich also zerstört, 14C-Proben wollten also weise gewählt und abgewägt sein. Eine Studie unter Federführung u.a. von Kolleginnen und Kollegen der Universität Wien hat nun eine neue Methode der Probenvorbereitung vorgestellt, die deutlich weniger zerstörerisch ausfällt: Knochen werden, vereinfacht gesagt, in kochendem Wasser erhitzt und das zu beprobende Kollagen auf diese Weise herausgelöst. Die Studie ist noch nicht begutachtet, liegt aber bereits als Preprint vor.
Mediathek
Anfang des Monats durfte ich gemeinsam mit der Religionswissenschaftlerin Kathrin Trattner und Gastgeber Cedric Engles (a.k.a. Doktor Whatson) für Artes “Couchwissen” bei Twitch den neuesten, den 7. Teil von “Sid Meier’s Civilization” spielen und dabei (auch mit der online zugeschalteten Community) über Geschichtsbilder, Archäologie (natürlich) und populäre Vorstellungen von Hochkulturen plaudern. Ein tolles Format, das nicht nur großen Spaß gemacht hat, sondern auch das Potential von Computerspielen für die Wissenschaftskommunikation meiner Meinung nach noch einmal ganz wunderbar illustriert. Und, ganz ehrlich: Wer hätte sich das vor zehn, fünfzehn Jahren ausgemalt? Mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über Computerspiele diskutieren? Bei Arte? Auf Twitch? Der ganze Stream in epischer dreistündiger Länge findet sich zum nachschauen übrigens hier.
Und im Podcast “Was los, Wissenschaft?!” von und mit Lisa Ringen und Jan Philipp Rudloff konnte ich auch noch einmal sehr ausführlich über Archäologie und Gesellschaft sprechen und wie eng beides miteinander verknüpft ist. Von fürsorglichen Neanderthalern über steinzeitliche Feste bis hin zu für uns eher gewöhnungsbedürftigen Bestattungssitten ist alles dabei. Die ganze Folge zum Nachhören gibt es hier.
