
Nun neigt sich also auch der Februar seinem Ende. Man mag kaum glauben, dass das Jahr wirklich erst zwei Monate alt ist, so viel ist in der Zwischenzeit schon wieder geschehen. Auch was aktuelle archäologische Themen angeht, die es in die Nachrichten geschafft haben, gab es da einiges zu entdecken: von paläolithischen Wangenpiercings über eine Neuentdeckung im Tal der Könige, das psychologische Erbe der Römer in Süddeutschland und, natürlich, Pompeji, bis hin nachhaltigen Bestattungsformen und “Technofossilien” der Zukunft.
Blogschau
“Mal abgesehen von der Medizin, den sanitären Einrichtungen, dem Schulwesen, Wein, der öffentlichen Ordnung, der Bewässerung, Straßen, der Wasseraufbereitung und der allgemeinen Krankenkassen, was, frage ich euch, haben die Römer je für uns getan?“ – Um Monty Pythons “Leben des Brian” kam man zuletzt nur schwer herum, wollte man das Ergebnis einer aktuellen Studie der Uni Jena u.a. einordnen. Die Popkultur-Referenz drängt sich (übrigens auch den Autoren der Originalstudie) aber auch geradezu auf, um den dort postulierten “Limes-Effekt”, noch 2.000 Jahre später scheinen Zufriedenheit, Gesundheitszustand und Lebenserwartung in den ehemals römisch besetzten Gebieten höher als im nicht-romanisierten Teil Germaniens, zu kommentieren – was ich mir hier im Blog freilich dann auch nicht verkneifen konnte.
Wo wir schon beim Thema Popkultur sind: Der vierte Indiana Jones-Film (das ist der über das “Königreich des Kristallschädels”) zählt ja, hört man, nicht unbedingt zu den beliebtesten Teilen der Reihe. Für das Szenario um die mysteriöse uralte Pyramidenstadt Akator irgendwo im südamerikanischen Urwald haben sich die Drehbuchautoren allerdings so offenkundig an realen Ereignissen orientiert, dass ein genauerer Blick lohnt. Denn auch wenn “real” hier mit Einschränkungen gemeint ist, bringt diese Geschichte einiges mit, um selbst zum Filmstoff zu taugen: ein unverhofft auftauchender vermeintlicher “Indianerhäuptling”, ungekannte Dschungelstädte, Schätze, Hochtechnologie, Außerirdische (selbstverständlich) und versprengte Wehrmachtssoldate (wenn schon, denn schon) – und eine Reihe bis heute ungeklärter Mordfälle. Eine Geschichte mit Wendungen, die ich auch hier im Blog rekapituliert hatte.

Und die Meldung von der Entdeckung einer bisher unbekannten Pharaonengrabstätte im ägyptischen Tal der Könige (kommt gleich noch mal im Nachrichtenteil) hat mir eine wohlbekannte Fragestellung in die Social Media-Kommentare gespült, die ich zum Anlass genommen habe, mich dann doch auch einmal mit der (ja tatsächlich nicht selten gestellten) Frage auseinanderzusetzen (denn natürlich gibt es da gute Argumente und bedeutende Unterschiede): Wo verläuft denn eigentlich die Trennlinie zwischen Grabraub und Archäologie?
Nachrichtenticker
Seit wann schmücken sich Menschen eigentlich mit großen Wangenpiercings – und hatten die womöglich eine Bedeutung, die über die eines Schmuckstücks hinausging? Der Anthropologe John Charles Willman von der Universität Coimbra kam bei der Untersuchung der Zähne von Skelettfunden aus dem Paläolithikum Mitteleuropas zu dem Schluss, dass dies bereits in der Altsteinzeit vor etwa 25.000 bis 30.000 Jahren der Fall war. In einer aktuellen Studie (Probable Use of Labrets Among the Mid Upper Paleolithic Pavlovian Peoples of Central Europe, Journal of Paleolithic Archaeology 8(6), 2025 🔐💵) konnte Willman einen Zusammenhang zwischen Abnutzungsspuren an den Zahnaußenflächen und der Verwendung sogenannter Labrets herstellen, die von den Menschen in der letzten Kaltzeit offenbar bereits im Kindesalter getragen und im Laufe des Erwachsenwerdens durch größere Piercingscheiben ersetzt wurden. Darauf jedenfalls deuten entsprechende Spuren bereits an Milchzähnen und eine flächigere Abnutzung bei den Erwachsenen hin. Diese Unterschiede könnten, so vermutet Willman in seiner Studie, mit dem Erreichen bestimmter Lebensabschnitte wie Pubertät oder Eheschließung zusammengehangen haben.
Es ist offenbar ein ungeschriebenes Gesetz, dass kein Monat ohne Nachrichtenmeldung aus Pompeji vergehen darf. Dieses Mal waren es Bilder von unter der Vulkanasche ausgesprochen gut erhaltenen Fußspuren von Tieren und Menschen, die Schlagzeilen machten. Und das beste, jedenfalls aus Sicht dieses Bronzezeit-Archäologen hier, kommt ja erst noch: Der Vulkanausbruch, vor dem sie flohen, datiert gut 2.000 Jahre *vor* jenem, der im Jahr 79 n. Chr. die römische Stadt dem Untergang geweiht hatte und in deren Umgebung die Spuren nun während Reparaturarbeiten an einer Gasleitung gefunden worden sind.

Da kann das römische Pompeji natürlich nicht nachstehen – und liefert folgerichtig mit einem Bankettsaal samt monumentalem Wandgemälde in der sogenannten Casa del Tiaso im Zentrum der antiken Stadt eine weitere schlagzeilenträchtige Entdeckung. Das Fresko zeigt auf drei Seiten des Raumes eine farbenprächtig erhaltene Szene mit lebensgroßen Darstellungen von Tänzerinnen und Tänzern, Jägern, Musikern und dem stets feierlustigen Gott Dionysos. Diese leuchtende Farbenpracht fasziniert mich jedes Mal aufs neue, wenn ich Fotos aus Pompeji sehe. Besonders spannend in diesem Fall: Als der Vesuv 79 n. Chr. ausbrach und Pompeji unter Feuer und Asche begrub, war dieses wohl aus den Jahren 30 bis 40 v. Chr. stammende Wandbild, selbst schon eine mehr als hundert Jahre alte Antiquität.

Nun aber endlich zur bereits erwähnten Ausgrabung des Grabes von Thutmosis II. in Ägypten, das auch deswegen für einiges Aufsehen sorgte, weil es das erste Königsgrab dieser Art seit Entdeckung jenes von Tut-ench-Amun vor gut 100 Jahren ist. Jedenfalls im Tal der Könige – in der Nekropole von Tanis im nordöstlichen Nildelta wurden bereits in den 1930er und 40er Jahren die (gar unberaubten!) Grabanlagen einiger Pharaonen der 21. und 22. Dynastie ausgegraben. Thutmosis’ Grab (bereits 2022 entdeckt) wurde hingegen noch in altägyptischer Zeit geplündert; die Mumie des Pharaos war zusammen mit anderen im 19. Jahrhundert in einem ebenfalls in der Antike zu deren Schutz eingerichteten Mumiendepot entdeckt worden. Insofern irritiert eine bald nachgeschobene zweite Meldung, der zufolge das Grabungsteam hofft, in einem weiteren Grab ganz in der Nähe die sterblichen Überreste des Pharaos zu finden. Obwohl in der Vergangenheit gelegentlich Zweifel an der Identität der identifizierten Mumie Thutmosis II. geäußert wurden, schien es bisher doch einen weitestgehenden Konsens über deren Verbleib gegeben zu haben. Man darf also gespannt sein, wie es hier weitergeht.
Die Vielfalt unterschiedlicher Bestattungssitten ist aus archäologischer Perspektive ja schon berufsbedingt immer wieder ganz besonders interessant. Und das meint nicht nur den Blick in die Vergangenheit. Auch jüngere Geschichte und Gegenwart halten da einige faszinierende Einblicke in den Umgang mit Tod und Toten bereit. So wie die Meldung über ein hierzulande neues Bestattungsverfahren, das nun auch in Mecklenburg-Vorpommern erstmals zur Anwendung kam. Bei dieser sogenannten Reerdigung wird der Leichnam in einer Art Kokon auf Heu, Stroh, Grünschnitt und Pflanzenkohle gebettet und in einem dort binnen vierzig Tagen von Mikroorganismen verstoffwechselt und “humifiziert”, also in Erde umgewandelt – die dann während der Bestattung ohne Sarg in den Boden eingebracht wird. Bereits 2022/23 gäbe es in Schleswig-Holstein ein ähnliches Pilotprojekt. Das Verfahren wird als energiesparend und nachhaltig beschrieben, ist aber mitnichten unumstritten.
Leseecke
Sprachmodelle, automatisierte Chatprogramme, Formulierungshilfen und Bildgeneratoren – Anwendungen “Künstlicher Intelligenz” können, unabhängig davon wie sinnvoll der Einsatz in der jeweiligen Situation tatsächlich ist, inzwischen omnipräsent in beinahe jeden kreativen Prozess eingebunden werden. In einem lesenswerten Essay in The Conversation hat sich Colleen Morgan, Senior Lecturer in Digital Archaeology and Heritage an der University of York, kritisch mit dem Einfluss generativer KI auf die Visualisierung historischer und archäologischer Narrative auseinandergesetzt. Morgan lehnt den Einsatz entsprechender Technologien dabei keineswegs rundheraus ab, plädiert aber für einen reflektierten Umgang mit den so erzeugten Bildern, die bereits heute zur Verbreitung veralteter und falscher Informationen sowie zur pseudoarchäologischen Mythenbildung beitragen.
Die in Südafrika herausgegebene, über panafrikanische Themen und Nachrichten berichtende digitale Zeitung The Continent veröffentlicht derzeit unter dem Titel “The Museum of Stolen History” (kuratiert von Shola Lawal, unter künstlerischer Leitung von Wynona Mutisi) eine fortgesetzte Artikelserie, in der die Geschichte bedeutender im kolonialen Kontext nach Europa verbrachter kultur- und naturhistorischer Objekte aufbereitet wird. Die bisher erschienenen Beiträge widmen sich Ngwi Ndem (der “Bangwa Queen”), der Goldenen Krone Kaiser Tewodros’ II., König der Könige von Abessinien, dem Stein von Rosette, den “Tsavo-Menschenfressern” und der Okukor genannten Hahnenskulptur aus Benin. Der mit jedem Teil weiter ergänzten Titelabbildung nach zu urteilen, dürften da in den nächsten Wochen noch mindestens zwei weitere Artikel folgen.

Für den britischen Guardian berichtete Damian Carrington über das jüngst (als e-book) erschienene neue Buch “Discarded: How Technofossils Will be Our Ultimate Legacy“ von Sarah Gabbott und Jan Zalasiewicz (die geduckte Fassung erscheint im Mai).Darin denken sie darüber nach, welche langfristigen Spuren die Abfälle unserer modernen Massenproduktions- und Wegwerfgesellschaft als neuartige “Technofossilien” in ferner Zukunft hinterlassen werden. Ein faszinierendes Szenario – und auch wenn ich nachvollziehen kann, wie Gabbott als Paläontologin und Zalasiewicz als Geologe zu dieser Terminologie gefunden haben, erscheint es mir aus archäologischer Sicht etwas befremdlich, hier von Fossilien zu sprechen, wenn es sich doch um materielle Kultur, Artefakte im besten Sinne handelt.
Ich lehne mich einmal weit aus dem Fenster und behaupte, dass es hierzulande wahrscheinlich kaum jemanden gibt, die oder der die “Was Ist Was”-Buchreihe nicht kennt. Sei es aus eigener Kindheitserinnerung oder weil die Bände inzwischen vom eigenen Nachwuchs aus dem Regal gezogen werden. Gleich 15 neue Bände listet der Tessloff-Verlag jetzt auf seiner Homepage – und modernisiert die Klassikerreihe mit neuen Texten, aufwendigen Grafiken und Mitmachen-Tipps. Ich erwähne das an dieser Stelle aber vor allem deshalb so prominent, weil der gerade erschienene Ägypten-Band “Mumien, Gottheiten, Pyramiden” aus der Feder niemand geringeren als meiner Kollegin Johanna Sigl stammt. Das ist natürlich erst recht eine Leseempfehlung wert – für den Nachwuchs … oder um noch einmal in Erinnerungen an frühe Leseausflüge zu schwelgen.

Mediathek
Für den “Unterirdisch”-Podcast des
Instituts für Archäologische Wissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum durfte ich in diesem Monat mit den Kollegen dort über Formate und Inhalte archäologischer Wissenschaftskommunikation, über Memes, Grabungs-Livestreams und Pseudoarchäologie sprechen. Die Folge, treffen “Wissenschaftskommunikation in der Archäologie” tituliert, kann online hier (🔓) nachgehört werden.
Und für die “OK COOL holt nach”-Reihe habe ich mit Dom Schott in einer weiteren Podcast-Episode über einen Videospiel-Klassiker, natürlich mit Archäologie-Bezug, gesprochen. Und ja, schon wieder ist der bekannte Film-Archäologe mit einer Vorliebe für Lederjacken involviert, denn es geht um das vor bald 16 Jahren erschienene Kleinod “Indiana Jones und der Stab der Könige”. Die Folge ist Teil des exklusiven Steady-Angebots von OK COOL und für Abonnenten hier (🔐💶) verfügbar.
Gewissermaßen als Nachtrag für den Beitrag über die “Tatunca Nara”-Geschichte, den Akakor-Mythos und beider Enttarnung (siehe oben) sei hier unbedingt auch auf die dreiteilige NDR-Dokumentarfilmreihe (Deutschland 2024) von Dina Dada, Felix Meschede und Florian Müller mit Kristen Nehberg hingewiesen, die noch bis 26.06.2026 in der ARD-Mediathek verfügbar ist.
Abschließen möchte ich diesen Februar-Rückblick schließlich mit einem weiteren Doku-Tipp. Genau genommen sogar zweeni. In der arte-Mediathek sind nämlich noch bis zum 08.04.2025 die beiden Filme über die Domestikationsgeschichte unserer liebsten Haustiere abrufbar: “Wie die Katze die Welt eroberte” von Eric Gonzalez und Pierre-Aurélien Combre (Frankreich 2020) und “Wie der Hund die Welt eroberte” von Jean-Baptiste Erreca (Frankreich 2020).
