
Jetzt ist auch der Juli Geschichte – und natürlich ist uns allen nur zu klar, was das bedeutet: Keine fünf Monate mehr bis Weihnachten! Zeit also, sich vielleicht allmählich doch schon einmal ein Gedanken über die Weihnachtsgeschenke zu machen. Aber bis dahin sollte sich noch reichlich Gelegenheit für ein bißchen Archäologie und neue Funde bieten. So wie natürlich auch im vergangenen Monat.
Blogschau
Hier im Blog hatte ich mir da zunächst ein paar Gedanken zur ideologischen Instrumentalisierung archäologischer Forschung und Funde gemacht – ein nicht nur historisches Phänomen. Hintergrund dieses kleinen Essays, das binnen kürzester Zeit der meistgelesene Beitrag hier auf dem Blog geworden ist, war die Einladung, einen Vortrag zur Ringvorlesung der FU Berlin mit dem tagesaktuellen Thema “Antike im Zerrspiegel politischer Ideologien” beizutragen. Was ich freilich bereitwillig getan habe.

Für einen weiteren Text war, das kann ich nicht leugnen, meine Vorliebe für Comics der Auslöser. Das neueste Mosaik-Heft nahm sowohl seine Protagonisten als auch Leserinnen und Leser mit auf eine Zeitreise ins Mesolithikum und ließ sie niemand Geringeres als die “Schamanin” von Bad Dürrenberg kennenlernen. Und ihre Darstellung dort, die den aktuellen wissenschaftlichen Rekonstruktionen entspricht, hat mich ebenfalls hier im Blog darüber nachdenken lassen, wie in diesem Fall insbesondere, aber auch ganz allgemein fortgesetzte Forschung und neue Methoden unser Bild der Vergangenheit kontinuierlich ergänzen und verändern.

Nachrichtenticker
Wir bleiben in Sachsen-Anhalt. Der Fundplatz Neumark-Nord, etwa 40 km südlich von Halle und heute ein vor allem wegen des in der früheren Tagebaugrube entstandenen Geiseltalsees beliebtes Ausflugsziel, ist unter Archäologie-Begeisterten freilich auch für die dort freigelegten Überreste eines eemzeitlichen Schlachtplatzes bekannt, an dem vor gut 125.000 Jahren Neanderthaler-Gruppen ihre Beute, darunter Hirsche, Pferde und Auerochsen zerlegt hatten. Neue Untersuchungsergebnisse deuten nun überdies darauf hin, dass dieselben Neanderthaler mit offenbar vorausplanendem Ressourcenmanagement gezielt insbesondere das kalorienreiche Knochenfett ausgekocht haben.
Holzerhaltung ist ja immer so eine Sache auf archäologischen Grabungen. Und kann, je nach Bodenbeschaffenheit und Umständen, ganz besondere Funde zutage fördern. Nur eben eher selten – je älter, desto seltener. Das macht eine gerade aus China berichtete Entdeckung um so spannender: Im Südwesten der Volksrepublik, in Gantangqing, sind nämlich tatsächlich gut 300.000 Jahre alte Grabwerkzeuge aus Holz gefunden worden.
In Peru haben Kolleginnen und Kollegen derweil mit einer Peñico im Norden des Landes offenbar ein wichtiges Handelszentrum aus dem zweiten Jahrtausend v. Chr. entdeckt, die Überresten von Stein- und Lehmbauten und aller Funde wie Menschen- und Tierfiguren, Ketten aus Perlen und Muscheln usw. inklusive.
Klimawandel und steigende Meeresspiegel bedrohen in Tuvalu nicht nur die Lebensgrundlage der Einwohnerinnen und Einwohner des pazifischen Inselstaats, sondern auch deren kulturelles Erbe. Um diese vielfältige Kultur auch künftigen Generationen vermitteln zu können, dokumentieren die Kolleginnen und Kollegen der DAI-Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen gemeinsam mit dem Kulturministerium Tuvalus, der Rising Nations Initiative und natürlich den Tuvaluern selbst dieses materielle und immaterielle Kulturerbe, die historischen Stätten und Traditionen sowie das Wissen darüber in einem digitalen Repositorium.
Der Pharos von Alexandria aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., immerhin eines der sieben Weltwunder der Antike, war lange Zeit nicht nur der höchste Leuchtturm, sondern mit 115-160 Metern (da sind die Quellen sich nicht ganz einig) bis ins 20. Jahrhundert hinein gar eines der höchsten von Menschenhand errichteten Bauwerke überhaupt – bis er durch eine Reihe von Erdbeben zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert n. Chr. zerstört wurde. Ein Team Forschender des französischen CNRS und Ägyptens Centre d’Études Alexandrines hat nun begonnen einige der nicht minder beeindruckenden Überreste des Turms, darunter 22 Steinblöcke und steinerne Türstürze, vom Meeresboden zu bergen – sie sollen u.a. Grundlage auch einer ambitionierten digitalen Rekonstruktion des ursprünglichen Turmes sein.

Zum Dauerbrenner Palo-Diät gab es im vergangenen Monat auch noch ein paar Neuigkeiten aus der Steinzeit-Küche: Stellt sich nämlich heraus, dass es auch unter Neanderthalern durchaus unterschiedliche Auffassungen dazu gab, wie genau nun das perfekte Mammut zubereitet wird. Jedenfalls deuten die Untersuchungen entsprechender Knochen aus zwei Höhlen im Norden Israels hin, die etwa zur gleichen Zeit von unterschiedlichen Gruppen genutzt wurden.
Und wo wir schon bei Neanderthaler-Leckereien sind, soll auch eine zweite aktuelle Studie hier rasch noch Erwähnung finden. Ich möchte da auch auf Rücksicht auf Leserinnen und Leser, die das hier womöglich vor dem Frühstück lesen, gar nicht so sehr ins Detail gehen, wohl aber festhalten, dass dort die interessante These aufgestellt wird, dass Neanderthaler vielleicht nicht zwingend immer alles verfügbare Fleisch sofort vertilgen mussten, bevor es schlecht wurde – sondern damit durchaus clever auch andere Proteinquellen zu erschließen wussten.
Auch aus Albanien machten im letzten Monat Meldungen und Bilder von den Ausgrabungen am Ohridsee (wieder) die Runde. Die dort untersuchten Pfahlbauten aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. gehören zu den ältesten Europas – bis ins 1. Jahrtausend v. Chr. sind die Bauten der Fischer- und Ackerbauer-Siedlung hier offenbar immer wieder erneuert worden.
Und noch einmal eine Neanderthaler-Nachricht – dieses Mal auch verbunden mit dem Hinweis, den archäologischen Blick auch im bevorstehenden Sommerurlaub stets wachsam schweifen zu lassen: In Portugal jedenfalls zahlte sich der morgendliche Ausflug an den Praia de Monte Clérigo für einen Geologen und dessen Frau kurz vor dem ersten COVID-Lockdown 2020 mit der Entdeckung einer Reihe fossiler Fußspuren aus, die – wie eine nun veröffentlichte Studie ausführt – einem erwachsenen Neanderthaler und zwei Kindern zugeordnet werden konnten.

Auch wenn Archäologinnen und Archäologen immer wieder gern betonen, dass sie keine Dinosaurier ausgraben, können natürlich auch wir Fossilien im Allgemeinen durchaus spannend finden. Das ging im Übrigen schon den Römerinnen und Römern in der Antike nicht anders; die Historikerin Adrienne Mayor hatte schon vor 25 Jahren ein ganzes Buch mit Belegen für diese Faszination füllen können. Von der Grabung einer römischen Siedlung aus dem 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr. im spanischen A Cibdá ist nun aus dem weiteren Kontext wohl einer Bestattung der Fund eines etwa 460 Millionen Jahre alten Trilobiten veröffentlicht worden, der offenbar zu einem Schmuckstück umgearbeitet worden war.
Das am 29. Juli am Landgericht Ingolstadt gesprochene Urteil im Prozess zum Diebstahl des sog. Manchinger Keltenschatzes dürfte die Kolleginnen und Kollegen des kelten römer museums vielleicht wenigstens ein bißchen erleichtert haben. Wegen schweren Bandendiebstahls und anderer Delikte hatte das Gericht den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgend vergleichsweise hohe Haftstrafen verhängt. Insgesamt freilich noch immer ein nur schwacher Trost, denn der größte Teil der keltischen Goldmünzen, die im November 2022 geraubt worden waren, ist nach wie vor verschollen. Und die wenigen wieder aufgetauchten eingeschmolzenen Münzen lassen leider nichts Gutes ahnen.
Traurige Nachrichten auch aus der Wenner-Gren Foundation, die nun leider doch das zuletzt schon befürchtete und erwartete Ende des Online-Magazins SAPIENS, das immer wieder mit wirklich lesenswerten Essays über anthropologische und archäologische Themen aufwarten konnte, verkündet hat. Eine bedauerliche Entscheidung.
Leseecke
Dieses Mal möchte ich die Leseempfehlungen mit einem Beitrag eröffnen, der Schnittmengen mit meiner eigenen Forschung zeigt. In einer aktuellen in Humanities and Social Sciences Communications veröffentlichten Studie gehen V. Hrnčíř, A. M. Chira und R. D. Gray vom MPI EVA in Leipzig nämlich überregional und kulturübergreifend der Frage nach, welche Rolle Alkohol in der Herausbildung komplexer hierarchischer Gesellschaften gespielt hat, beispielsweise mit der Förderung sozialer Bindung und Kreativität durch kooperative Gemeinschaftsprojekte. Lesenswert: V. Hrnčíř et al., Did alcohol facilitate the evolution of complex societies?, Humanit Soc Sci Commun 12, 2025 🔓.
Mehr als nur eine Rezension bietet darüber hinaus die Besprechung des vor inzwischen gut drei Jahren erschienenen Buchs “Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit
(Klett-Cotta 2022) von David Graeber und David Wengrow, die Rainer Schreg auf seinem “Archaeologik”-Blog veröffentlicht hat. Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den ja nicht in allen Punkten unumstrittenen Thesen der beiden Autoren, zeichnet er dort sehr umfangreiche auch eben diese Debatte nach und trägt zahlreiche Beispiele und Stimmen zur Rezeption von Buch und Diskussion seit der Veröffentlichung zusammen: R. Schreg, Anfänge – Probleme und Paradigmen der Kulturanthropologie, Archäologie und Geschichte, archaeologik.blogspot.com 25.07.2025.
Der nächste Artikel (J. M. Hutson et al., Revised age for Schöningen hunting spears indicates intensification of Neanderthal cooperative behavior around 200,000 years ago, Science Advances 11(19), 2025 🔓) ist zwar schon im Mai erschienen, sei aber trotzdem noch einmal hervorgehoben und ausdrücklich empfohlen. Denn, das Thema sensationeller Holzerhaltung hatten wir ja eingangs schon einmal, er widmet sich der tatsächlichen nicht ganz einfachen chronologischen Einordnung der paläolithischen Hoolzspeere aus Schöningen. Zunächst war hier ein Alter von gut 400.000 Jahren angenommen worden, das später auf etwa 300.000 Jahre korrigiert wurde. In der nun veröffentlichten Neubewertung wird aufgrund der regionalen Chronostratigraphie von (immer noch beeindruckenden) 200.000 Jahren ausgegangen. Was ganz gut zu einem auch an anderen Fundstellen angedeuteten Wandel der Jadgstrategien von Neanderthalern des Mittelpaläolithikums zu passen scheint.
Zu guter Letzt noch der Hinweis auf die neue Serie der afrikanischen Online-Wochenzeitung The Continent, die an dieser Stelle bereits mit ihrem “Museum of Stolen History” über bedeutende Objekte mit kolonialhistorischem Hintergrund empfohlen wurde – im aktuellen “Museum of Memory” geht es nun um ikonische Monumente aus der Geschichte des Kontinents. Den Anfang macht das Märtyrerdenkmal Maqam Echahid, das in Algier an den Algerienkrieg 1954 bis 1962 erinnert.

Mediathek
Im Juli würdigte der Deutschlandfunk die Entdeckung der zum Mausoleum des ersten chinesischen Kaisers Qin Shihuangdi gehörenden Terrakotta-Armee mit einem “Kalenderblatt”. Oder viel mehr des Jubiläums deren offizieller Bekanntgabe. Und eigentlich ist das ja auch gar keine vollständige Armee. Wie auch immer, ich durfte die Gelegenheit nutzen, das alles ein wenig einzuordnen, wie hier noch nachgehört werden kann.
Außerdem hatte ich die große Ehre, im Juli von scienceslam.de zum “Slammer des Monats” gekürt zu werden. Neben einem Kurzinterview hält die eigens aus diesem Anlass eingerichtete Seite auch noch einmal die Aufzeichnungen zweier meiner Science Slams bereit. Die sich hier finden, falls jemand einen Blick riskieren möchte.
In der ZDF-Mediathek bin ich dieser Tage auf eine Dokumentationsreihe über “Das Atomzeitalter – Höllenfeuer und Hoffnung” gestoßen, die zwar schon 2023 zum ersten Mal über den Äther ging, aber trotzdem – weil es ja ein Thema ist, das (Energieabhängigkeit etc. pp.) nicht an Aktualität verliert – mein Interesse geweckt hat und die ich deshalb, auch weil dort unter anderem ein Punkt angesprochen wird, der hier im Blog schon einmal diskutiert wurde, an dieser Stelle ebenfalls aufnehmen möchte.
Der Vollständigkeit halber sei hier außerdem auch noch die ebenfalls über die ZDF-Mediathek abrufbare Terra X-Dokumentation zum “Grab der Schamanin” von Bad Dürrenberg aus dem vergangenen Jahr (aktuelle Erkenntnisse also garantiert), die ja ganz am Anfang dieser Nachlese schon einmal Thema war, verlinkt.
